Musterung
20. April 2024

Roland Stratmann

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Wie kommen Menschen dazu, andere Lebewesen auszustopfen oder als Trophäen zur Schau zu stellen? Der Künstler stellt mit seinen Tierskupturen in menschlicher Gewandung Fragen nach dem sozialen Miteinander. Stratmann führt Tiere wieder aus berühmten Bilddarstellungen heraus und gibt ihnen mit weichen Kleidern eine zweite Haut. Diese Kleidungsstücke stehen metaphorisch auch für verschiedene transformatorische Prozesse.

Ausstellungsansicht: Musterung. Pop und Politik in der zeitgenössischen Textilkunst, 2020. Foto: Frank Krüger; courtesy: Kunstsammlungen Chemnitz

Roland Stratmann

geb. 1964, Weseke, Deutschland, lebt und arbeitet in Berlin, Deutschland

In der Literatur, in der bildenden und darstellenden Kunst sind Tiere häufig symbolische Platzhalter für Verhandlungen menschlicher Argumentationen oder Stellvertreter humaner Eigenschaften. Der Künstler Roland Stratmann stellt im Kontext dieser Tradition mit seinen Tierdarstellungen Fragen nach dem sozialen Miteinander. Als Vorlagen für seine bunten Stoffskulpturen dienen dem Künstler Gemälde, Modelle aus Dioramen in Naturkundemuseen, Tiergeweihe von den Wänden uriger Kneipen oder das Internet.
Auch wenn einige Tierpräparate im 19. Jahrhundert zur wissenschaftlichen Erforschung der Vielfalt der Arten galten, stellt sich die grundlegende Frage: Wie kommen Menschen dazu, andere Lebewesen auszustopfen, zu häuten, zu leeren und zu füllen, sie aus einer fragwürdigen Geisteshaltung heraus als Trophäen zur Schau zu stellen? Angesichts einer durch unsere moderne Lebensweise zunehmend bedrohten Umwelt, sind wir Menschen gezwungen, über unser Verhältnis zur Natur nachzudenken und Lebensräume zu schützen. Stratmann schält und formt die erstarrten Tiere aus historischen Bildern heraus, überführt sie ins Dreidimensionale und gibt ihnen mit weichen, anschmiegsamen Kleidungsstücken eine zweite Haut. Durch die Verbindung der Tierskulpturen mit menschlicher Kleidung mischt sich lakonischer Humor mit existentiellen Befindlichkeiten und führt im Werk des Künstlers zur Thematisierung immer neuer Schnittstellen menschlicher Missverhältnisse, die ein Nachdenken über unseren Umgang mit uns und mit der Natur aktivieren.
Nicht zuletzt steht derart dem Aussterben der großen Säugetiere eine nicht mehr zu unterbietende Billigproduktion von Konsumartikeln gegenüber. Die bewusst gewählte Widersprüchlichkeit von Material und Motiv oder Inhalt und Form spiegelt sich nicht zuletzt in der Doppeldeutigkeit der Titel wider: Dead Game Clothing – Hase/Hare – wobei game im Englischen sowohl mit Spiel als auch mit Wild übersetzt wird.
Zudem nutzt Stratmann die Ausstellung seiner Skulpturen, um mit seinem partizipativen Projekt Phantom, die Chemnitzer Bürger:innen zu bitten, ihm per Postkarte besondere Erfahrungen und Eindrücke während der Pandemie zu schicken.

Dead Game Clothing-Rhino, 2018, Holz, Stahl, Montageband, Draht, Textilien, ca. 200 x 320 x 150 cm, courtesy: the artist

Dead Game Clothing – Hare, 2017, Holz, Draht, Textilien, 103 x 47 x 36 cm, courtesy: the artist