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9. September 2021

Lovis Corinth (1858–1925)

Wie seine Künstlerkollegen Max Slevogt und Max Liebermann gehörte auch Lovis Corinth zu den wichtigsten und einflussreichsten Vertretern des Impressionismus in Deutschland. Bis ihm öffentliche Anerkennung zukam, hatte er bereits ein beachtliches Werk geschaffen.

Lovis Corinth, Waldlandschaft, undatiert, Kunstsammlungen Chemnitz, Leihgabe Sammlung Claus Hüppe


Franz Heinrich Louis Corinth, kurz Lovis Corinth, wurde am 21. Juli 1858 in Tapiause, einer kleinen Stadt im Norden Ostpreußens (heute Gvardeisk, Russland) geboren. Als Kind begann er, dank eines Nachbarn, der sein künstlerisches Talent erkannt hatte, zu zeichnen. In Königsberg, der Hauptstadt Ostpreußens (heute Kaliningrad), erwarb er vertiefte Kenntnisse der griechischen und römischen Mythologie und entwickelte eine Vorliebe für biblische und literarische Themen. Im Jahr 1876 trat Corinth der Landesakademie der Schönen Künste in Königsberg bei. Von Beginn an beschäftigte er sich mit konventioneller Historienmalerei und kombinierte in seinen frühen Jahren Kompositionen in dunkel anmutenden Farben mit imaginierten Landschaften. Die Natur erschien dem jungen Maler »zu einfach und zu offensichtlich«. Im Frühjahr 1880 zog Corinth nach München, das neben Paris als eine Metropole der europäischen Malerei galt.

Als Lovis Corinth im Jahr 1899 die erste Ausstellung der Berliner Secession besuchte, lernte er seinen Künstlerkollegen Max Liebermann kennen. Wie groß die Bewunderung beider Maler füreinander war, zeigten sie, indem sie sich in Liebermanns Atelier gegenseitig porträtierten. Corinths Porträts spiegeln seine künstlerische Entwicklung von der Tradition zur Moderne, vom naturalistischen Akademismus zum Expressionismus, der eine impressionistische Phase durchläuft, wider. Nach seinem Umzug nach Berlin im Jahr 1901 avancierte er zu einem der gefragtesten und bestbezahltesten Porträtmaler der Hauptstadt. Neben einer Vielzahl von Werken, die seine Frau abbilden, waren auch seine beiden Kinder Thomas und Wilhelmine immer wieder Motive für den Maler. Die Porträts bedeutender Maler:innen, Musiker:innen und Politiker:innen sind von einer großen stilistischen Vielfalt geprägt. Corinth erweiterte das Genre der klassischen Porträtkunst, indem er die Persönlichkeit der Abgebildeten in seinen Malstil einfließen ließ. Porträtierte er einen Bildhauer, so hatte das Bild mit einem pastosen Farbauftrag selbst skulpturalen Charakter, stand ihm ein Kunstkritiker Modell, konnte man dessen kunsthistorische Expertise quasi an den Gesichtszügen im Porträt ablesen. Der Kunstsammler und Unternehmer Erich Goeritz gehörte zu den wichtigsten Förderern seines Spätwerkes. Beide verband eine enge Freundschaft, in der sie sich sogar gegenseitig beeinflussten. Der Textilkaufmann war auch selbst künstlerisch tätig, seine zahlreichen Zeichnungen, Gouachen und Aquarelle sind jedoch heute bis auf wenige Einzelblätter verloren gegangen. Wie nahe sich Goeritz und Corinth privat standen, zeigt die Grafik Corinth, malend, die den Maler bei der Arbeit an der Staffelei abbildet. Im Oktober 1921 schenkte Erich Goeritz die lockere Skizze der Städtischen Kunstsammlung Chemnitz. Ein Jahr später schenkte er dem Museum das Gemälde Bildnis meines Sohnes Thomas aus dem Jahr 1921 von Corinth, das dort am 19.8.1937 im Rahmen der Aktionen um die sogenannte »Entartete Kunst« beschlagnahmt wurde. Der Unternehmer besaß mehrere Gemälde des Künstlers. Hervorzuheben ist zudem ein Bildnis des Geigers Andreas Weißgerber sowie ein großes Konvolut an Grafiken von Corinth.

Lovis Corinth, Bildnis Andreas Weißgerber, Fassung I, 1919, Kunstsammlungen Chemnitz, Schenkung von einem „Kunstfreund“, 1919

Goeritz gab bei seinem Freund zwei Porträts in Auftrag. Das Doppelbildnis Die Kunstfreunde, David Leder und Erich Goeritz entstand im Jahr 1921. Ein Jahr später ließ sich Goeritz gemeinsam mit seiner Frau Senta von Corinth in Öl auf Leinwand festhalten. Dass auch David Leder von der großen Qualität eines Porträts aus der Hand von Lovis Corinth überzeugt war, zeigt das Doppelbildnis David Leder und Frau (David und Lola Leder) aus dem Jahr 1922, auf dem sich das Paar in eleganter Abendgarderobe abbilden ließ. Leder musste sich nach dem Konkurs seines Unternehmens im Jahr 1928 von zahlreichen Bildern trennen und diese zum Verkauf anbieten. Es ist nur zu erahnen, wie schmerzlich der Verlust dieses Bildes für ihn gewesen sein muss:

»Er kaufte keine Bilder mehr, er verkaufte viele; ich fragte nicht nach ihnen, ich nahm hin, daß ich bei meinen seltenen Besuchen dies oder jenes vermißte; […] noch hing das Porträt meiner Eltern von Corinth im großen Zimmer […]« beschreibt sein Sohn Stephan Hermlin den Verlust der Bilder seines Vaters.

Stephan Hermlin, Abendlicht, Leipzig 1981, S. 133.

Lovis Corinth, David Leder und Frau (Lola Leder), 1922, Stiftung Insel Hombroich, Museum Insel Hombroich, Neuss


Wie Max Liebermann kaufte sich Lovis Corinth für seinen Lebensabend ein Grundstück fern ab der Großstadt. Das Haus in Urfeld am Walchensee, das seine Frau Charlotte Berendt-Corinth (1880–1967) um 1918/1919 für ihren Mann bauen ließ, wurde zum idyllischen Rückzugsort des Künstlers und inspirierte ihn zu etwa 60 Bildern. Am 16. Juni 1925 unternahm der 66jährige Lovis Corinth eine Reise nach Amsterdam, um sich dort die Gemälde von Frans Hals und Rembrandt anzuschauen. Wenige Tage später starb er am 17. Juli 1925 in Zandvoort nahe Amsterdam. Eines der in Urfeld entstandenen Gemälde Walchenseelandschaft aus dem Jahr 1922 war ebenso einst im Besitz der Städtischen Kunstsammlungen Chemnitz, die es 1927 aus einer Ausstellung bei Kunsthandlung Gerstenberger in Chemnitz angekauft hatten. Im Juni 1938 wurde es in der Kunsthandlung gegen ein Gemälde von Ludwig Richter und eine Zeichnung von Caspar David Friedrich getauscht.

Während der nationalsozialistischen Diktatur wurden Corinths Werke nicht kategorisch abgelehnt. Sein impressionistisches Frühwerk entsprach den propagierten Idealvorstellungen von Kunst. Seine späteren, teilweise sehr expressionistischen Arbeiten hingegen wurden verfemt. Hierzu gehörte auch sein letztes berühmtes Werk Ecce Homo aus dem Jahr 1925. Die Wandlung im Werk des Künstlers interpretierte das NS-Regime als Folge von Corinths Schlaganfall im Jahr 1911. Im Jahr 1937 wurden insgesamt 295 seiner Bilder beschlagnahmt, darunter ein großer Teil aus den Sammlungen der Nationalgalerie Berlin sowie der Hamburger Kunsthalle. Einige der Werke wurden im gleichen Jahr in der Ausstellung Entartete Kunst in München gezeigt.