Obwohl Max Liebermann nachweislich nie selbst in Chemnitz war, finden sich Spuren des jüdischen Malers in den Kunstsammlungen Chemnitz. Er wurde am 20. Juli 1847 als Sohn des jüdischen Kattunfabrikanten Louis Liebermann und dessen Frau Philippine in Berlin geboren. Durch ihren florierenden Textilhandel war die Familie zu großem Wohlstand gekommen, was dem jungen Max Liebermann viele finanzielle Freiräume brachte. So konnte er sich ganz seinem Studium der Kunst widmen, zahlreiche Reisen unternehmen und sich durch verschiedene künstlerische Einflüsse und Stile inspirieren lassen.
Max Liebermann, Selbstbildnis, 1921, Kunstsammlungen Chemnitz, erworben auf der Auktion Bruno Kassierer und Hugo Helbing aus der Sammlung David Leder, 1925
Im Jahr 1907 kaufte der Verein Kunsthütte zu Chemnitz eine erste Zeichnung von Liebermann an. Wenige Jahre später stand Museumsdirektor Friedrich Schreiber-Weigand im regen Kontakt mit zahlreichen Sammlern wie Erich Goeritz und David Leder, durch die weitere Arbeiten des Impressionisten in den Sammlungsbestand kamen. Liebermann fühlte sich zeitlebens dem Naturvorbild verbunden. Zunächst stark vom holländischen Realismus geprägt und von der französischen Schule von Barbizon beeinflusst entstanden zahlreiche Landschaftsbilder. Mit seinem nüchternen, nichts beschönigendem Blick und seinem akademischen Kunstverstand entwickelte er sich zu einem Wegbereiter der Moderne, der auch unter seinen Kolleg:innen Beachtung und Anerkennung fand. Im Jahr 1899 wählten ihn die Künstler der Berliner Secession zum Präsidenten ihrer Künstlervereinigung. In Berlin lernte er auch den Kunstsammler David Leder kennen, den er im Jahr 1923 porträtierte.
Max Liebermann, Textilkaufmann David Leder, 1923, Kunstsammlungen Chemnitz/Schloßbergmuseum, ersteigert durch fünf Unternehmer im Stuttgarter Auktionshaus Nagel, Schenkung an die Stadt Chemnitz
Neben Gemälden von Max Liebermann besaß David Leder ein Konvolut von etwa 300 Handzeichnungen des Künstlers.
Max Liebermann, Schafherde unter Bäumen (Motiv bei Kösen), 1892, Kunstsammlungen Chemnitz, erworben im Auktionshaus Graupe, Berlin, 1925
Liebermanns jüdische Herkunft spielte in seinen Arbeiten kaum eine Rolle. Doch als sein Cousin, der deutsche Außenminister Rathenau, im Jahr 1922 von der rechtsextremen Organisation Consul ermordet wurde, schuf Liebermann Illustrationen zu Heinrich Heines Rabbi von Bacharach. Mit seiner künstlerischen Beteiligung an der Erzählung, mit der Heine als deutsch-jüdischer Dichter das Schicksal der Juden in Deutschland verhandelte, unterstützte Liebermann eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema. Während der 1920er Jahre zog sich Liebermann als 70jähriger und wegen der zunehmenden antisemitischen Angriffe auf seine Person immer mehr aus dem öffentlichen Leben zurück. Mit der Ernennung von Adolf Hitler zum Reichskanzler im Jahr 1933 wurde Liebermann verfemt und gesellschaftlich isoliert.
Max Liebermann, Landschaft am Wannsee, 1918, Kunstsammlungen Chemnitz, Schenkung Max Bruder, 1928
Wie Claude Monet im französischen Giverny entwickelte Liebermann im Alter eine ganz besondere Beziehung zu seinem Garten in Berlin. Das im Jahr 1909 gekaufte Grundstück am Wannsee und dessen liebevoll angelegte Grünflächen prägten den Maler und Grafiker in seinem Spätwerk motivisch maßgeblich. Außerhalb der Großstadt schuf er sich hier sein privates Paradies, während die Nationalsozialisten ihr Terror-Regime vorantrieben. Gemeinsam mit seinem Freund, dem Kunsthistoriker Alfred Lichtwark, entwickelte er ein Gartenkonzept, wobei die Architektur von der Natur durchdrungen wurde. Ungeachtet der natürlich gewachsenen Birken ließ Liebermann Wege ziehen, auf denen die Bäume auf dem Weg aus dem Boden traten. Rote Geranien, Agapanthen und der Birkenhain tauchen als Motiv immer wieder auf Liebmanns Gartenbildern auf. Im Jahr 1935 starb Liebermann im Alter von 87 Jahren. Seine Frau Martha nahm sich acht Jahre später das Leben, um einer Deportation in das Konzentrationslager Theresienstadt zu entgehen. Die letzte Birke ihres gemeinsamen Haines fiel im Sommer 2002 einem Sturm zum Opfer. Bei der Neubepflanzung orientierten sich die Gärtner:innen an den Wurzelresten der alten Bäume, die einst Liebermann Schatten und Schutz schenkten.
Max Liebermann, Die Birkenallee im Wannseegarten nach Südwesten, 1924, Kunstsammlungen Chemnitz, erworben am 9. Oktober 1924 von Paul Cassirer, Berlin