Musterung
6. Oktober 2024

Oliver Sieber

Sieber_Julia

Jugendkultur, Erwachsenwerden, Phänomene von Gruppenzugehörigkeiten und Identitätsbildung sind Themen, die Sieber in seinen Por-traits auf ungewöhnliche Weise ins Bild setzt. Oft trifft er seine Motive des Nachts, auf der Straße, bei Konzerten oder in Clubs. Es sind vor allem die Details, die lesbaren Chiffren für Gleichgesinnte, die derart auch für den Betrachter:innen in den Fokus geraten.

Ausstellungsansicht: Musterung. Pop und Politik in der zeitgenössischen Textilkunst, 2020. Foto: Frank Krüger; courtesy: Kunstsammlungen Chemnitz


Oliver Sieber

geb. 1966, Düsseldorf, Deutschland, lebt und arbeitet in Düsseldorf, Deutschland

Innerhalb seiner fotografischen Arbeit nimmt das Porträt seit vielen Jahren das zentrale Interesse von Oliver Sieber ein. Als Genre, das mit Aspekten der Identität in vielschichtiger Weise verbunden ist, interessieren ihn besonders »Phänomene wie Gruppenzugehörigkeiten und Identitätsbildung (…). Geschlechterzugehörigkeiten, das Erwachsenwerden, Sich-zueinander-in-Beziehung-Setzen.« Er porträtiert Jugendliche, die ihm auf Partys, Konzerten und Events begegnen und die sich die Freiheit nehmen, ihren Weg jenseits des Mainstreams zu gehen, darunter Punks, Psychobillies, Gothic Lolitas, Transgender oder Künstlerfreund:innen. Sieber zeigt Menschen, die ihn inspirieren und die sich nach außen den Habitus der Subkultur zulegen, gleichzeitig aber bereits selbst wieder identitätsstiftende Muster und Zugehörigkeiten erkennbar werden lassen. In den auf das Gesicht konzentrierten, bisweilen Schulter- und Brustpartie einbeziehenden Bildnissen vor dunklem, neutral gehaltenem Hintergrund fallen insbesondere der Kleidungsstil, die Frisur und der angelegte Schmuck der Dargestellten auf. Jedes Detail kommt so zur Entfaltung und entwickelt seinen eigenen Klang. Sieber reflektiert die unterschwelligen Gruppenzugehörigkeiten, indem er lesbare Chiffren für Gleichgesinnte fokussiert, präsentiert die fotografierten Menschen in der von ihnen bevorzugten Gruppe jedoch höchst individuell und sich von jeder Konformität distanzierend.
Durch die Gegenüberstellung seines seriellen Ansatzes und das Herausarbeiten von einzigartigen Persönlichkeiten in seinen Porträts, befragt er die Konstruktion und Konstitution von Identität und (non-)konformen Lebensentwürfen. Ein weiterer Aspekt ist die Endlichkeit des Lebens, der sich Sieber mit dem fotografischen Festhalten der Jugend entgegenstellt.

Oliver Sieber, Rückenfigur #3 (Iro), Bottrop 2015
Oliver Sieber, Julia (Finland), Leipzig 2008
Oliver Sieber, Rückenfigur #1 (Nara Neverland), Nara 2012,