Es sind vor allem prozessuale Vorgänge, mit denen Dekyndt verschiedenste Textilien einer experimentellen Prüfung unterzieht. Gesponnene Fäden kann man auch wieder entziehen. Gewachsenes kann verfallen. Durch ihre Erforschungen gelingt es der Künstlerin, einen Sinn für das Fantastische und Nicht-Gesehene von Materialphänomenen zu entwickeln und poetisch zu vermitteln.
Edith Dekyndt
geb. 1964, Weseke, Deutschland, lebt und arbeitet in Berlin, Deutschland
Textilien sind per se ,slow objects‘, Gegenstände, deren Herstellungsprozess oft ablesbar bleibt. Wir sehen wie etwas gehäkelt, gestrickt, gewebt und verarbeitet wurde, aus welchen Materialien es besteht, was auch bei industriell produzierten Gütern oft noch der Fall ist. Dekyndt spürt den unmittelbar ,substantiellen‘ Momenten der Materialien nach. Durch subtile Eingriffe bringt sie diese in ein facettenreiches synästhetisches Bezugsfeld zueinander. Häufig setzt die Künstlerin den Stofflichkeiten mächtig zu, setzt sie der Kraft von anderen Elementen wie Erde, Flüssigkeiten oder Salzen aus. Dabei macht sie die unbemerkten Kräfte natürlicher Transformationsprozesse sichtbar oder dokumentiert die Fragilität von Stofflichkeiten und ihren Verfall.
Man könnte zunächst meinen, dass in den Arbeiten Edith Dekyndts nicht viel geschieht. Doch bei aller Stille der von ihr gewählten Methoden rufen diese bisweilen recht merkwürdige Phänomene und Verwandlungen hervor. Ein Fell, das mit Tackernadeln zusammengehalten und strukturiert wurde, sieht fast aus wie eine organische Computerplatine. Einfache Küchentücher, denen jeweils einzelne horizontale Fäden entnommen wurden, hängen nur noch wie an einem hauchdünnen Rückgrat. Fäden ziehen, Haare sammeln, in Farbe eintauchen, anflammen, einfrieren, wässern, wachsen, einschweißen, schälen, vergolden – die Welt kann ins Phantastische geraten, wenn man die Biografie der Dinge auf diese Weise erweitert. Man sollte die Objekte unbedingt im Original sehen, zu überraschend ist ihre Unter- bzw. Hintergründigkeit.
»Edith Dekyndt stellt die menschlichen Wahrnehmungsfähigkeiten in ihrer Kunst immer auch in einen gesellschaftlichen und politischen Zusammenhang, in welchem die vermeintliche Neutralität natürlicher Phänomene in großem Kontrast dazu steht, wie und wofür der Mensch sie sich zu eigen macht.« (Katja Schneider)